von Diana Forker
Philosophie & Logik anderswo: Moskau, Russland
Dank eines Stipendiums verbringe ich das WS 2003/2004
und das SS 2004 an der Lomonosov
Universität in Moskau. Das
ist die größte Uni Moskaus und damit auch sicher Russlands.
Manche Dozenten erzählen wohl hin und wieder, das es auch die
beste sei. Darüber
kann ich mir kein Urteil erlauben. Auf jeden
Fall ist das Veranstaltungsangebot in der Logik sehr
umfangreich
und gut.
einfach
gigantisch - das Hauptgebäude der Moskauer Universität
Das Studienjahr
ist wie bei uns in zwei Semester eingeteilt. Das
WS beginnt immer am 1.9., es sei denn, dieser Tag ist ein
Sonntag,
und dauert bis Mitte Februar. Davon ist Ende Dezember und den ganzen
Januar
durch Prüfungszeit. Anfang Februar gibt es etwa zehn
Tage Semesterferien, dann beginnt das SS, welches
Ende Juni zu Ende
ist. Gerechnet wird trotzdem in Studienjahren.
Das Studium ist sehr schulisch organisiert, die Studenten eines
Lehrstuhls lernen wie in
Klassenverbänden zusammen. Und ähnlich
wie bei uns in der Schule sind alle in der
Regelstudienzeit von
fünf Jahren fertig, ältere Studenten gibt es gar nicht.
Wenn man erst später studieren will oder ein zweites Studium
absolvieren will, kann man das an
Abendschulen tun, aber nicht an
einer normalen Universität. Für alle russischen Studenten
ist das Studium kostenlos und sie erhalten ein monatliches Stipendium
von etwa 12€, von dem
man allerdings nicht leben kann. Die
meisten leben zu Hause und werden von ihren Eltern finanziell
unterstützt.
Das Gebäude der geisteswissenschaftlichen Fakultäten
ist ein großer Plattenbau gegenüber dem Hauptgebäude
der Uni, ganz oben
befindet sich die philosophische Fakultät,
und auch der Lehrstuhl für Logik. Ein
Vorlesungsverzeichnis
gibt es nur in Form einer Tafel, die irgendwo im Flur hängt,
was ich auch erst nach ein paar Tagen erfahren habe. So musste ich
mich durchfragen, was einerseits nicht
schlecht ist, denn die Dozenten
sind sehr freundlich. Andererseits weiß jeder vor allem über
die eigenen Veranstaltungen bescheid.
Ich habe drei Seminare besucht, die
sich hauptsächlich mit
den formalen Aspekten bestimmter Systeme befassten. Die Veranstaltungen
haben sich nicht wesentlich von ähnlichen Veranstaltungen in
Deutschland unterschieden. Ganz
im Gegensatz zu meinen Kommilitonen.
Da man in Russland die
Schule etwa mit 16 Jahren beendet und danach
gleich studiert, waren sie alle vier bis fünf Jahre
jünger
als ich und benahmen sich entsprechend seltsam. Quatschen und Zettelchen
schreiben währen der Veranstaltung, Haare kämmen oder
auch mal telephonieren waren keine
Seltenheiten; verließ der
Dozent kurz den Raum, standen alle auf und liefen durch die Gegend.
Am Anfang der Veranstaltung stehen alle zur Begrüßung
auf und eine Anwesenheitsliste gibt es auch. Leider bin ich mit
den anderen Studenten kaum ins
Gespräch gekommen, was zum einen
am Altersunterschied lag und zum anderen an meinen schlechten
Russischkenntnissen,
die zwar gerade so ausreichen, einem Seminar zu folgen oder einen
Fachtext zu lesen, aber für ein Alltagsgespräch in normalem
Sprechtempo nicht genügen.
Jetzt im Januar steht mir die erste Prüfung bevor, da wird
sich zeigen, ob es
auch dafür genügt. Es gibt eine Bibliothek,
in der Ausländer leider nichts ausleihen
dürfen und die
Lesesäle laut und kalt sind, das Bücherangebot ist auch
nicht umwerfend. Dann kauft man sich die Literatur lieber gleich,
was kein Problem ist, denn Bücher
sind in Russland unglaublich
billig.
Das Wohnheim der Uni
befindet sich im Hauptgebäude. Das Hauptgebäude
ist ein riesiger Bau aus der Stalinzeit, um ihn
einmal zu umrunden
braucht man 20 Minuten. Darin befinden sich hauptsächlich Verwaltungsräume
und Wohnheime. Und außerdem noch alle Arten von Geschäften,
die man so
brauchen kann: Lebensmittel, Bücher, Schreibwaren,
Blumen, Klamotten, es gibt einen Waschsalon, eine
Post, ein Reisebüro,
einen Schuster, diverse Photographen und Drogerien... bis hin zum
Schwimmbad, für das man allerdings ein Gesundheitszeugnis braucht.
Die Zimmer selbst sind nicht der neuste Standard, aber Einzelzimmer
und die Kakerlaken (sofern man
sie überhaupt sieht) sind sehr
klein. Ratten soll es geben, aber ich habe noch keine gesehen. Dann
kann es eher mal passieren, dass plötzlich jemand unbekanntes
im Zimmer steht oder
was geklaut wird, wenn man nicht aufpasst.
Nachts ist das Gebäude stark beleuchtet und erscheint mir
wie
eine Kulisse für einen alten Science Fiction Film. Von der
Uni weg führt
eine Promenade zur Aussichtsplattform mit einem
beeindruckenden Blick über Moskau und fünf
Sprungschanzen,
Skilift und Piste runter zur Moskwa. Im Winter herrscht hier die
schönste Alpenatmosphäre.
Noch ein paar Sätze zur Stadt. Moskau
ist riesig und entsprechend
groß das kulturelle Angebot. Am liebsten gehe ich ins Konzert
oder ins Ballett, da braucht man kaum Sprachkenntnisse. Museen gibt
es auch zu hauf und mit einem
russischen Studentenausweis sind sie
auch ausgesprochen billig. Der Verkehr ist enorm, über die
Fußwege und durch die Metro schieben sich Menschenmassen.
Den größten sozialen
Stress hat man auf den Märkten,
aber dafür kann man dort auch alles kaufen. Und wenn man mal
die Nase voll von allem hat, quetscht man sich in die Elektritschka
und fährt raus aus
der Stadt.