von Tobias Prüwer
Philosophie anderswo: Abderdeen, Schottland
Getting to Scotland - Über das Studieren in
Schottland aus dem Gesichtsfeld der
Universität Aberdeen und
wie man dorthin kommt.
Universität in Aberdeen bei gutem Wetter
Es müssen nicht die Spuren von Hume und Smith sein,
die zum Studium in Schottland verleiten. Da
locken das schroff-freundliche
Wesen der Schotten, karges Hügelland und die Fülle historischer
Stätten, genauso wie der Reiz nichttouristischer Perspektiven,
das Abenteuer eines
anderen Studiensystems und der Versuch, durch
Distanz Nähe zu Altvertrautem zu gewinnen.
Der schottische Durchschnittsstudierende ist jünger als bei
uns. Daher
sollten Besuchende unernster Lebensart aufgeschlossen
sein. Es wird gern und viel getrunken, auch wenn die
Tradition des
Whisky-Genusses auszusterben droht und durch Mixgetränke verdrängt
wird. Gerade weil die Kriminalitätsrate gering ist, haben die
schottischen Offiziellen Angst vor Raub
und Mord. Diese wird lediglich
überragt von der Phobie vor Feuer. Deshalb ist der gesamte
universitäre Raum eine Pinwand, gespickt mit Warnungen, Fluchthinweisen
und praktischen
Übungen. Die gewählte Studierendenvertretung
ist kommerziell orientiert und richtet ihr
exklusives Tun an Partygestaltung
aus. Bunt ist die Palette studentischer AG’s und reicht von
der albernen Cheese Society bis zu politischen Gruppen. Die üppig
ausgestattete Bibliothek
folgt einem seltsamen Ordnungssystem. So
ziert das Oeuvre Nietzsches die Abteilung für deutsche
Literatur,
samt Interpretationen großer „Sprachwissenschaftler“
wie
Jaspers und Heidegger.
Obwohl in Studiensystemen verschieden, gibt es auch
einige Gemeinsamkeiten
zwischen dem Philosophiestudium in Aberdeen und Leipzig. Die Hälfte
der angekündigten Kurse entfiel, drei Stellen liefen aus und
selbstverständlich beginnt
keine Veranstaltung vor 9 Uhr. Die
ungewohnt geringe Zahl von Seminarteilnehmern ist angenehm aber
wenig nützlich, da die Diskussionsteilnahme nicht rege ist.
Ein Frage-und-Antwort-Spiel wie
zwischen Lehrer und Schüler
ersetzt akademische Diskursivität. Einige der Dozierenden drehen
ihre Runden in festen Bahnen und wissen mit Anmerkungen und Nebenschauplätzen
nicht
umzugehen. Dies ist sicher dem Umstand geschuldet, dass sie
jedes Jahr aufs Neue das Alte lehren. Der
Studienplan ist inhaltlich
fixiert und als ewige Wiederkehr gestaltet. Dieses modulare System
kann ein vortreffliches Studienobjekt über Verschulung und
ein Grund mehr gegen nicht durchdachte
BA-MA-Einführung sein.
Dafür lassen mäßige Anforderungen Raum und Zeit
für Entdeckungen und Selbststudium. Natürlich ist dem
urdeutschen Phlegma auch in Aberdeen
nicht zu entkommen. Schließlich
ist Schottland kein Geheimtipp mehr und wird auch von Miesepetern
besucht, denen die Riviera heimeliger wäre. Trotzdem wird sich
für diejenigen,
welche wirklich verliebt sind in Alba, der
Schottlandaufenthalt gewiß lohnen. Für selbige seien
einige Hinweise angefügt.
Jeder erfolgreiche
Auslandsaufenthalt beginnt mit frühen Mühen.
Rund ein Jahr Vorlauf sind erforderlich.
Informationen und generelle
Hilfe zum Schottlandstudium leisten das Akademische Auslandsamt
(AAA – www.uni-leipzig.de/akadem/)
in der Goethestraße 6 und British Council im GWZ (www.britishcouncil.de).
Eine Übersicht aller britischen Hochschulen und ihren
Studiengängen
enthält die Seite www.ucas.ac.uk.
Ein halbes akademisches Jahr zu bleiben, macht wenig Sinn, weil
man dann gleich ab Weihnachten zu Hause bleiben kann. Die bekannte
Trimmester-Einteilung ist ein
altes Relikt, das nur mehr dem Namen
nach besteht und es gibt faktisch Semester. Zugang an eine schottische
Hochschule findet man über ein Austauschprogramm oder durch
Selbstbewerbung. Als
Programmitglied gilt es vergleichsweise wenig
Aufwand zu bewältigen; ist man erst einmal aufgenommen
worden.
Die finanzielle Unterstützung durch den Deutschen Akademischen
Austauschdienst (DAAD) ist nicht gering, weshalb die Asymmetrie
zwischen AspirantInnen und
Studienplätzen groß ist.
Jeweils im September ist die Bewerbungsfrist
für das kommende
akademische Jahr. Frau Moros im AAA hilft bei der Bewerbung. Für
das EU-Programm ERASMUS vergibt das Institut für Philosophie
selbst keine Schottland-Plätze.
Der Versuch über andere
Institute (zum Beispiel Aberdeen bei KuWi & Germanistik) kann
lohnend sein, da sich an schottischen Hochschulen die Veranstaltungen
ohnehin
fächerübergreifend belegen lassen. Die Homepage
des AAA weist Institute aus, welche mit der
gewünschten Destination
verbunden sind. Die Förderung durch ein Austauschprogramm
beeinflußt
den Anspruch auf BAföG und sollte daher bedacht werden. Zwar
tragen
Programme die Zahlung der Studiengebühr von derzeit
1150 Pfund, selten aber reicht die Förderung
zur (Über-)
Lebensfinanzierung. Die zunächst selbst vorgestreckte Gebühr
erstattet das BAföG-Amt oftmals zurück, wenn auch nur
auf Raten über das Jahr verteilt.
Weiterhin übernimmt
die Behörde die preiswerteste Hin- und Rückreise (Eurolines)
und zahlt eventuell einen Mietzuschuß. Die üblichen Formblätter
müssen um
einiges ergänzt werden, weswegen auch hier früh
begonnen werden sollte. Die für
Großbritannien zuständige
Behörde ist die Bezirksregierung Köln, die aus welchen
Gründen auch immer in Aachen sitzt (www.bezreg-koeln.nrw.de).
Das Absageschreiben der Student Awards Agency for Scotland
(SAAS
– www.student-support-saas.gov.uk)
zu erhalten, welches man für die
Rückerstattung der Studiengebühr
benötigt, ist eine besonders knifflige Übung. Da diese
Behörde seit einiger Zeit nicht mehr für deutsche Bewerber
zuständig ist,
erhält man auf schriftliche Anfragen keine
Antwort. Daher empfiehlt sich gleich der Griff zum Telephon
und
die erste Übung in Sprachpraxis. Sprachtests sind für
das Auslandstudium
nicht obligatorisch, meist reicht ein Verweis
auf das Abiturfach. Jedenfalls sollten die teuren Tests erst
absolviert
werden, wenn diese ausdrücklich verlangt werden. Die hohe Wohnheimmiete
ist im Vorfeld für einen ganzen Term zu entrichten. Vielleicht
schließt man den Vertrag nicht
für das ganze Jahr ab
und kann sich nach einer preiswerteren Bleibe umschauen.
Die Studienschwerpunkte variieren je nach Hochschule. Das Vorurteil,
in
Großbritannien würde ausschließlich analytisch
Philosophie gelehrt, hat sich nicht
bestätigt. Grundsätzlich
ist das Studium verschult und sehr klausurenlastig. Zu erbringende
Kurzessays im Umfang von 2000 Worten machen Spannungen zwischen
Anspruch und Wirklichkeit
offenkundig. Die Anforderungen lesen sich
wie in Leipzig. Allerdings scheint es unmöglich, eine starke
These mit Hilfe breiter Literaturkenntnis durch strukturierte Argumentation
in solcher
Kürze zu verteidigen. Vielleicht könnte die
divergierende Bedeutung des Begriffs
„These“ im deutschen
und englischen Wissenschaftsbetrieb ein lohnendes Magisterarbeitsthema
sein. Daher empfiehlt es sich, nur die Kurse der Jahre drei und
vier zu besuchen.
Hilfreich für die Aufnahme in diese sind
kopierte Leistungsscheine und das
Zwischenprüfungszeugnis.
Habt Ihr immer ein
Paßbild dabei, denkt an Euro-Stecker und
besitzt kein Internetpaßwort mit Umlauten (und habt
den Nachschub
an Tabakprodukten arrangiert), dann seid Ihr gerüstet. Seid
Eure
Möglichkeiten in einem Land mit Ecken und Kanten. Möglicherweise
bleibt dann auch ein
Jahrtausende währender Trinkhabitus erhalten.
Slainte, tobs.