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Erschienen in: Ausgabe #2 vom Januar 2004



Interview mit Frank Dietrich

EiGENSiNN: Was hat Sie dazu bewogen Philosophie zu studieren?

DIETRICH: Philosophie habe ich nur im Nebenfach studiert. Eigentlich habe ich ein sozialwissenschaftliches Studium absolviert und dann erst in Philosophie promoviert. Ich habe festgestellt, dass die Themen, die mich in der Soziologie und in der Politik am meisten interessiert haben eher sozialphilosophische oder politikphilosophische waren, die zwar auch zum Teil von den Soziologen oder den Politikwissenschaftlern behandelt wurden, letztlich habe ich aber ein größeres Angebot in der Philosophie gefunden. Das hat mich dann dazu bewogen nach dem Diplom noch mal das Fach zu wechseln und ich hatte das Glück, dass das in Duisburg möglich war.

Frank 

Dietrich
Frank Dietrich

EiGENSiNN: Und warum haben Sie Philosophie nur als Nebenfach gewählt?

DIETRICH: Wenn ich mich recht erinnere, habe ich mich erst später für Nebenfächer entschlossen. Ich habe mich erst für den integrierten Studiengang Sozialwissenschaften in Duisburg als Hauptfach entschieden und habe dann in anderen Fächern Seminare und Vorlesungen besucht, in Jura, Ökonomie und Philosophie. Ich habe dann festgestellt, dass einige Angebote in der Philosophie ganz gut zu meinem sozialwissenschaftlichen Studium gepasst haben und letztlich bin ich dann da hängen geblieben.

EiGENSiNN: Was war das Thema Ihrer Magisterarbeit?

DIETRICH: Kommunitaristische Liberalismuskritik. Auch da hatte ich schon einen politikwissenschaftlichen Erstgutachter und mit Hartmut Kliemt einen Zweitgutachter aus der Philosophie, der dann schließlich auch mein Doktorvater geworden ist.

EiGENSiNN: Was hat Sie dazu bewogen sich für den Fachbereich Praktische Philosophie zu entscheiden?

DIETRICH: Dort habe ich die größten Überschneidungen mit meinem sozialwissenschaftlichen Interesse gefunden.

EiGENSiNN: Wir haben bei unserer Recherche gelesen, dass sie Lehrbeauftragter am Internationalen Hochschulinstitut in Zittau sind. Was sind Ihre dortigen Aufgaben?

DIETRICH: Der sozialwissenschaftlichen Studiengang in Zittau, der insgesamt von 40 Studenten absolviert wird, ist ein BA-Studiengang und wird ausschließlich von osteuropäische Studenten, überwiegend aus Polen und Tschechien, absolviert. Unterrichtssprache ist Deutsch. Die Studenten, wie bei einem BA-Studiengang üblich, haben ein sehr umfangreiches Pflichtprogramm. Dazu zählt unter anderem ein Einführungsseminar in die Politische Philosophie, das ich nun schon zweimal als Blockveranstaltung in Zittau gehalten habe. Da der ganze Studiengang aus nur drei Dozenten besteht, die alles komplett bestreiten müssen, sind sie darauf angewiesen, dass auswärtige Lehrkräfte Veranstaltungen abhalten.

EiGENSiNN: Mit welcher Perspektive kann man heute in Deutschland Philosophie studieren?

DIETRICH:: Ich finde, dass das Argument, die Philosophie sei ein brotloses Studium, ernst zu nehmen ist, gerade aus der Sicht der Studierenden. Man sollte sich schon gut überlegen, mit welchem Ziel man Philosophie eigentlich studiert. Ich selbst habe auch mein Studienfach blauäugig ausgewählt und habe mir erst Gedanken über berufliche Perspektiven gemacht, als es schon zu spät war. Das heißt aber nicht, dass sie es nicht besser machen können und sich frühzeitig überlegen sollten, wozu sie überhaupt Philosophie studieren. Ich vermute, dass die hohen Abbruchzahlen, die wir zu verzeichnen haben, auch damit zu tun haben, dass sich viele Studenten irgendwann im Laufe des Studiums diese Frage stellen und dann zu dem Schluss kommen, dass sich die ganze Mühe doch nicht so recht lohnt, dann sind aber schon mehrere Jahre ins Land gezogen. Idealerweise sollte man sich am Anfang seines Studiums damit beschäftigen, aber wie gesagt, ich habe es auch nicht gemacht.

EiGENSiNN: Wie stehen Sie zu den in Bologna abgesegneten Neuerungen hinsichtlich BA /MA?

DIETRICH: Grundsätzlich sehe ich BA/MA- Studiengänge nicht ganz so kritisch, wie das unter Philosophen üblich und meines Erachtens auch die Stimmung hier im Institut ist. Ich finde BA-Studiengänge haben für die Studierenden Vor- und Nachteile. Zum Beispiel denke ich, dass BA-Studiengänge bestimmten Bedürfnissen der Studierenden entgegenkommen, die ich immer dann erfahre, wenn ich Veranstaltungen mit einem Überblickscharakter anbiete, zum Beispiel „Einführung in die Politische Philosophie“. Gerade am Anfang des Studiums haben die Studierenden ein ganz verständliches Orientierungsbedürfnis Dieses Bedürfnis wird ganz gut durch BA / MA befriedigt, weil da sehr genau festgelegt ist, was zu studieren ist. Wahlkomponenten kommen erst im Laufe des Studiums dazu. Aber die Verschulung hat auch ganz deutliche Nachteile, was ich selbst in Düsseldorf erlebt habe, als ich dort Soziologie unterrichtet habe. Dort wurde ein BA-Studiengang eingeführt, in dem die Studenten in den ersten ein, zwei Jahren quasi im Klassenverband durch das Studium geführt wurden. Die entsprechende Lerneinstellung sollte jedem noch aus seiner Gymnasialzeit bekannt sein; das ist auch für die Dozenten nicht so fürchterlich angenehm. Der Pflichtcharakter führt dazu, dass die Veranstaltungen von vielen Studenten nur mit sehr geringem Interesse besucht werden. Eine wichtige Komponente bei BA-Studiengänge ist aber der Praxisbezug, also Pflichtpraktika etc., und das ist grundsätzlich auch zu begrüßen; die Frage ist hier nur, wie sinnvoll das für philosophische Studiengänge ist.

Das Gespräch führten Ramona Krons und Sarah Jahn


Dr. Dietrich ist Assistent am Lehrstuhl für praktische Philosophie an der Uni Leipzig.