von Sven-Uwe Janietz
Matrix Review - Virtualität und Ethik
Mit vergleichsweise bescheidener Werbung im Vorfeld 
              fand im Herbst 2003 
die Matrix-Trilogie der Wachowski-Brüder 
              ihr Ende in einem Spezialeffekt-Action-Spektakel, das kaum 
noch 
              jemanden so recht erfreuen wollte. Dennoch waren die Filme nicht 
              nur an den 
Kinokassen erfolgreich, sondern gelten als philosophisch 
              interessant. Im ersten Teil werden nämlich, 
mittels Szenarien 
              virtueller Realität, einige tiefgehende Fragen gestellt, die 
              nicht 
nur eine außerordentliche Resonanz des Publikums, sondern 
              auch eine beachtliche Liste mit 
Beiträgen akademischer Philosophen 
              zur Folge hatten. Die augenscheinliche Problemstellung scheint eine 
              erkenntnistheoretische zu sein, eine Variante des cartesischen Zweifels 
              am Wissen um die 
Existenz der äußeren Welt. Andere Philosophen 
              meinen jedoch, dass unser erheblichstes Problem 
mit der Matrix nicht 
              erkenntnistheoretischer, sondern ethischer Natur sei.
            
		
	
Smiths - die Vertreter 
der Exekutive in der Matrix
			
            Vermutlich kann man die 
Untersuchung des ethischen Problems 
              nicht gut von dem erkenntnistheoretischen abkoppeln, doch zumindest 
              ist es wohl möglich den Akzent auf ersteres zu setzen, wie 
              es auch in etlichen 
Aufsätzen der „Matrix-Philosophen“ 
              geschehen ist. Zu diesem Zwecke sollen die, teils 
höchst problematischen, 
              Voraussetzungen des Films erst einmal anerkannt werden – das 
        
      sind zunächst diese:
            Die Menschheit führte einen Krieg mit einer 
anderen Intelligenz 
              - den Maschinen. Die Maschinen gewannen die Vorherrschaft über 
              
die Erde, deren Himmel jedoch zuvor von den Menschen, in der Absicht 
              dem Feind die Energieversorgung 
abzuschneiden, verdunkelt worden 
              war. Es halfen sich die Maschinen damit, dass sie den Menschen selbst 
 
             zu ihrer Energiequelle machten, zur Biobatterie sozusagen. Während 
              also aktuell nur noch 
eine kleine Population von Menschen sich in 
              der Untergrundfestung Zion verschanzt, schlafen zahllose andere 
              ihr Leben lang künstlich ernährt in Kapseln und werden 
              von den Maschinen mit 
einer eingegebenen Traumrealität versorgt, 
              in der sie ihr gesamtes Leben verbringen – der 
Matrix. 
            Der Philosoph Richard Hanley [2] stellt fest, dass die Matrix eine 
       
       interaktive, virtuelle Umgebung, die systematische, globale Vortäuschung 
              einer Welt ist. Die 
virtuelle Interaktivität reicht dabei genau 
              soweit, wie die Umgebung auf Aktionen der Teilnehmer 
reagiert. Echte 
              Interaktion hingegen ist die Interaktion mit anderen, solchen, mit 
              denen 
wir diese virtuelle Realität teilen. Damit ergeben sich 
              zwei mögliche Arten der Matrix, zum einen 
eine gemeinschaftliche 
              Matrix, in der mehrere Teilnehmer vernetzt sind und in einer gemeinsamen 
        
      Realität echte Interaktionen stattfinden. Zum anderen wäre 
              aber auch eine private Matrix 
(solitary Matrix) denkbar, 
              in der zwar Interaktion, aber keine echte menschliche zu finden 
    
          ist. Die Matrix im Film ist eine einzige, große, gemeinschaftliche 
              Matrix.
          
  Cypher, einer jener Menschen, die nicht mehr in der Kapsel schlafen, 
              kennt beide 
Realitäten, die - von aussen betrachtet - virtuelle 
              der Matrix, und die vermeintlich echte, in der die 
Maschinen herrschen. 
              Die Matrixrealität ist praktischerweise unserer Welt der Gegenwart 
           
   sehr ähnlich, so dass der Zuschauer sie ganz gut beurteilen 
              kann. Die ‚echte’ 
Realität ist hingegen reichlich 
              ungemütlich: permanent auf der lebensgefährlichen Flucht 
              vor Maschinenwächtern, in lumpigen Kleidern, versorgt mit fadem, 
              unleckerem Essen 
und abgeschnitten von jeglichem Tageslicht müssen 
              die Menschen auf schmuddeligen Fortbewegungsmitteln 
einen aussichtslosen 
              Krieg führen. Cypher findet die Vorzüglichkeit des Lebens 
              
in der 'echten’ Realität nicht überzeugend und begeht 
              einen Verrat an seinen 
Gefährten, um in die Matrix reintegriert 
              zu werden. Dem feindlichen Agenten, mit dem er zu diesem 
Zwecke 
              verhandelt sagt er: „You know, I know that this steak 
              doesn’t 
exist. I know when I put it in my mouth, the Matrix 
              is telling my brain that it is juicy and delicious. 
After nine years, 
              do you know what I’ve realized ? ... Ignorance is bliss ... 
              I 
don’t want to remember nothing. Nothing ! You understand 
              ? And I want to be rich. Someone important. 
Like an actor. You can 
              do that, right ? “
            
            Der Wert der echten Realität 
            Zweifellos ist Cyphers Tat 
unmoralisch, nimmt er doch schliesslich 
              den hochwahrscheinlichen Tod seiner Kameraden und - aus seiner 
Sicht 
              - vermutlich den sämtlicher Bewohner Zions in Kauf, nur um 
              wieder saftige 
Steaks essen zu können. Aber nicht allein diese 
              Umstände machen seine Tat ethisch [3] 
verdächtig, sondern 
              schon der blosse Wille, sich wieder in die Matrix reintegrieren 
              
zu lassen, ja sogar das Verweilen in der Matrix mit dem Wissen, 
              dass sie in einer umfassenderen 
Realität von anderen "eingegeben" 
              ist, wird als schlecht bewertet - wie sonst könnten 
die Helden 
              des Films eine so starke Überzeugung gewonnen haben, dass es 
              richtig und 
gut sei, ihre Artgenossen zu erwecken. Welche Gründe 
              aber haben sie für diese überaus 
schlechte Meinung von 
              dem Leben der Menschen in der Matrix ? Was könnten sie Cypher 
              
erwidern, wenn dieser das saftige Steak in der Matrix dem pappigen 
              Haferschleim Zions vorzuziehen gedenkt 
?
            Genau das fragt sich, in einem ganz ähnlichen Gedankenexperiment 
           
   (das vielleicht sogar eine entscheidende Inspiration für die 
              Autoren von Matrix gewesen sein 
könnte) der amerikanische Philosoph 
              Robert Nozick [4]. Er stellt sich eine experience machine 
              vor: diese würde demjenigen der angeschlossen ist Erfahrungen 
              durch entsprechende 
Gehirnstimulation eingeben können, so dass 
              der Angeschlossene denkt und fühlt er würde 
beispielsweise 
              eine schöne Geschichte schreiben, Freunde treffen oder ein 
              Buch 
lesen, während er 'in Wirklichkeit' in einem Tank liegt 
              und Elektroden am Kopf trägt. Die 
experience machine kann jede 
              mögliche Erfahrung anbieten - auch Snowboarden in Patagonien 
         
     oder Tango-Tanzen in einer Düsseldorfer Bar - und ist wartungsfrei 
              - alle können sich 
gleichzeitig anschliessen. Nach zwei Jahren 
              erwacht man dann für kurze Zeit, um die Erfahrungen 
für 
              die kommenden beiden auszuwählen. 
            Die 
gewöhnliche Reaktion auf das Gedankenexperiment, die Abneigung 
              gegen die experience machine, 
soll zeigen, dass nicht allein 
              die gemachte Erfahrung für uns zählt, also nicht nur, 
         
     dass wir uns 'gut fühlen' - und so untersucht Nozick unter 
              den beschriebenen Voraussetzungen 
"What else can matter 
              to us, other than how our lives feel from inside?" [5]. 
       
       Er findet drei Dinge, die für uns über die gemachte Erfahrung 
              hinaus Wert haben:
   
         N1) Wir wollen die Dinge tun und nicht nur die Empfindungen haben, 
              die wir 
normalerweise haben, wenn wir diese bestimmten Dinge tun.
            N2) Wir wollen eine 
bestimmte Person sein und nicht nur die Empfindungen 
              haben, die wir normalerweise haben, wenn wir diese 
bestimmte Person 
              sind; jemand der an der experience machine angeschlossen ist, begeht 
              
damit in gewissem Sinne Selbstmord, denn er ist gar keine Person 
              mehr.
            N3) Der Kontakt mit der Realität selbst ist an sich wertvoll, 
              da in ihm die 
Möglichkeit tiefergehender Erfahrung liegt, im 
              Gegensatz zu der an Tiefe vorfestgelegten, 
menschengemachten virtuellen 
              Realität der experience machine . 
            Nozick schlussfolgert, dass wir am experience machine Beispiel 
              sehen, dass für 
jemanden nicht nur seine Erfahrungen zählen, 
              und meint auch, dass wir die Maschine faktisch nicht 
benutzen würden.
            Nun ja, die Hypothese, dass wir faktisch von der Maschine 
abliessen, 
              sagt ja, selbst wenn sie wahr wäre, bekanntlich nicht so viel 
              
darüber aus, ob wir es auch sollten - und nur das wäre 
              ein Grund, den wir Cypher entgegnen 
könnten, denn der will 
              ja nun offensichtlich nicht auf den Gebrauch eingegebener Erfahrungen 
      
        verzichten.
            Auch ist Nozicks experience machine keine ganz passende Analogie 
              zur Matrix, denn es gibt wesentliche Unterschiede. Nozicks vage 
              Beschreibung der 
experience machine legt nahe, dass der Angeschlossene 
              zum passiven Rezipienten vorprogrammierter 
Erfahrungen wird (der 
              einzige Moment, wo er aktiv entscheidet, wäre dann die Zeit 
              
seines kurzen Erwachens um das neue Programm zu wählen – 
              man könnte es vielleicht mit dem 
Fernsehen vergleichen, wo 
              der Zuschauer passiv das Programm wahrnimmt, ab und zu aber die 
              
Entscheidung trifft umzuschalten um darauf wieder passiv aufzunehmen). 
              Die Matrix hingegen wird in gewissem 
Sinne dem freien Willen und 
              der Entscheidungskraft ihrer Teilnehmer gerecht. Man könnte 
           
   wohl auch sagen, dass es bei der experience machine keine Interaktion 
              gibt, und wo es keine solche gibt, 
werden auch keine so zu nennenden 
              Entscheidungen getroffen. Die Matrix bietet Platz für eigene 
    
          Entscheidungen und die Interaktion in ihr ist, wie wir bereits festgestellt 
              haben, sogar eine 
echte Zwischenmenschliche. Zudem hat der Matrixteilnehmer 
              kein 'Persönlichkeitsproblem', da er nie 
aufwacht und bemerkt, 
              dass er garnicht der ist, dessen Erfahrungen er gemacht hat (dass 
              
er beispielsweise den Körper eines dicken Programmierers hat 
              und nicht den von Keanu Reeves). Die 
Funktionsweise der Matrix scheint 
              zumindest die ersten beiden Argumente von Nozick etwas 
abzuschwächen. 
              Denn wir tun ein bisschen mehr die Dinge, die zu tun wir erfahren 
              und 
sind ein bisschen mehr die Person, die wir zu sein erfahren, 
              wenn wir durch Entscheidungen mit der Umwelt 
interagieren. Letztlich 
              scheint es ja auch nicht mehr zu sein, was wir von unserer 'echten 
            
  Realität' erwarten können, als uns selbst für die 
              Dinge, die wir anschliessend tun, zu 
entscheiden und dadurch die 
              Person zu sein, die wir schliesslich sind. Nozicks drittes Argument 
        
      wird aber dadurch nicht betroffen oder widerlegt.
            Christopher Grau [6] 
überlegt in seinem Essay sogar, ob der 
              hohe Wert, der der 'echten Welt’ für 
gewöhnlich 
              zugebilligt wird, daher kommt, dass sie sich regelmässig als 
              gut 
geeignet erweist, darin 'gute Erfahrungen’ zu erlangen. 
              Unter diesen Umständen wäre es, so 
Grau, wie die Karre 
              vor das Pferd zu spannen, wenn wir der 'echten Realität’ 
              
intrinsischen Wert zuzuschreiben – und das Pferd, die eigentliche 
              Triebkraft, ist die 'gute 
Erfahrung’. Cypher könnte dann 
              einfach fragen was denn so toll sein soll an der Realität, 
              wenn sie uns nicht ermöglicht, irgend etwas Gutes oder Schönes 
              zu erfahren. 
            Peter Unger [7] hält eine Sicht wie die Cyphers auf das, was 
              
gut sein soll, für zu simpel, und meint, dass unsere Werte 
              tatsächlich von einer wesentlich 
komplexeren Art sind, als 
              schlicht auf 'gute Erfahrung’ abzustellen. Er führt folgendes 
    
          Beispiel an: Jemand, der an seine nächsten Verwandten denkt 
              und eine Lebensversicherung 
abschliesst, hat, sofern er denn plötzlich 
              stirbt keine Gelegenheit mehr, 'gute Erfahrungen’ 
damit zu 
              machen (die Möglichkeit, dass er seine geliebten Verwandten 
              aus dem 
Jenseits beobachten kann und sich dann dort gut fühlt, 
              sei aussen vorgelassen). Das, was zum 
Abschliessen der Lebensversicherung 
              motiviert, so Unger, ist unser grosses Interesse an der Zukunft 
    
          unserer Verwandten, ob wir sie erleben oder nicht. Dieses und andere 
              Beispiele zeigen zumindest 
die alltägliche Präsenz von 
              Bewertungen, die offenbar nicht alleine mit den eigenen Erfahrungen 
              zu begründen sind.
            Restlos überzeugend scheint Ungers 
Argument aber dennoch nicht 
              zu sein. Wie weiter oben festgestellt, könnte man ja demjenigen, 
      
        der Entscheidungsfreiheit für intrinsisch wertvoll hält, 
              entgegnen, dass er damit nur 
seine Ahnung ausdrückt, dass er 
              sich entscheidungsfrei eben besser fühlt und zwar deshalb, 
   
           weil er die Erfahrungen, die er unter entscheidungsfreien Umständen 
              macht, tendenziell 
besser bewertet als die unter unfreien – 
              das Kriterium sind bewusst gemachte Erfahrungen und ihre 
Bewertung. 
              Mit einer gewissen Analogie könnte das Lebensversicherungs-Beispiel 
              
behandelt werden: das, was du gut bewertest ist nicht die - gegenwärtig 
              inexistente - Zukunft deiner 
Verwanden, sondern die existente gute 
              Erfahrung deiner Vorstellung, dass es ihnen einmal besser gehen 
  
            könnte als ohne Lebensversicherung – das Kriterium ist 
              wieder die gemachte 
Erfahrung.
            Alles in allem entsteht der Eindruck, dass der Nachweis von ethisch 
    
          Relevantem jenseits subjektiver Erfahrung durchaus problematisch 
              ist, und es könnte 
vielleicht hilfreich sein, noch andere Perspektiven 
              auf das Matrix-Problem einzubeziehen.
           
 Die Verwerflichkeit der Instrumentalisierung
            Morpheus meint, dass 
all die Menschen, die an die Matrix angeschlossen 
              sind, Sklaven seien, denen die Wahrheit vorenthalten 
werde. Seine 
              Bedenken richten sich also gegen Täuschung und Versklavung. 
              Iakovor 
Vasiliou [8] fragt sich, inwiefern hinsichtlich dieser Vorwürfe 
              ein Unterschied zwischen Matrix- und 
echter Realität besteht. 
            
            Versklavung bedeutet hauptsächlich 
den Zwang, Dinge zu tun, 
              die man eigentlich nicht tun will, es ist eine Einschränkung 
             
 der Handlungsfreiheit. Wir in unserer echten Realität sind 
              zu vielen Sachen bei Todesstrafe 
gezwungen: zum Essen, zum Trinken, 
              zum Schlafen. Auch kann man beispielsweise nicht durch seine bloße 
              Entscheidung den Vollmond, weil einem seine runde Form nicht gefällt, 
              quadratisch 
sehen. Und schliesslich werden wohl sehr viele von uns 
              innerhalb der nächsten hundert Jahre sterben 
ohne es zu wollen 
              – für uns alle gelten die Naturgesetze, ohne dass wir 
              diesen 
etwa zugestimmt hätten. Versklavung ist aber nicht nur 
              Einschränkung von jemandem, sonder wird 
gewöhnlich so 
              verwendet, als das es auch jemandes bedürfte, der den Zwang 
              
ausübt (und der womöglich selbst Nutzen davon hat). Wem 
              aber können wir die Naturgesetze, 
die uns ständig zwingen, 
              zurechnen? sind sie Eigenschaften der Realität, für die 
        
      niemand verantwortlich ist, oder hat sie uns ein Gott gegeben? (und 
              wenn letzteres der Fall ist, sind 
wir dann nicht seine Sklaven?)
            Täuschungen kamen und kommen in der echten 
Realität häufig 
              vor, etwa in der Frage, wer von Sonne und Erde sich um wen dreht, 
            
  oder anderen 'überholten’ wissenschaftlichen Thesen. 
              Um der Täuschung einen ethisch 
schlechten Status zu geben, 
              braucht es aber wieder jemanden der absichtlich täuscht. Gott 
         
     oder die Natur selbst ?
            Vasiliou kommt zu dem Ergebnis, dass wir, aufgrund 
unserer besonderen 
              Position als Zuschauer des Films (gods-eye-perspective: wir können 
             
 die Welt in und ausserhalb der Matrix sehen) erkennen, dass weder 
              ein allgütiger Gott zu wunderbaren 
Zwecken noch die unpersönlichen 
              Naturgesetze die Menschen in der Matrix täuschen und zwingen, 
              sondern die Maschinen, und zwar in höchst eigennütziger 
              Weise – und dass 
es das ist, was wir ablehnen. 
            Darauf folgt ein Gedankenexperiment: Nach einer 
selbstverschuldeten 
              Klimakatastrophe und unerträglicher UV-Strahlung ist das Leben 
              
der Menschen auf der Erde quasi unmöglich geworden. Wissenschaftler 
              haben aber vorher noch eine 
gewaltige, automatische und fortwährend 
              laufende Maschine gebaut, die exakt das gleiche leistet wie 
die 
              Matrix (betrieben durch Solarenergie, Biobatterien werden nicht 
              benötigt). Die 
Umstände sind so lebensfeindlich, dass 
              die Menschen für viele Generationen nur in Tanks 
überleben 
              können – aber irgendwann, vielleicht in 100000 Jahren 
              wird sich 
die Atmosphäre erholt haben und die Menschen müssen 
              nicht mehr länger in den Tanks bleiben; 
dann wird die Maschine 
              sie wecken. 
            Die Personen in den 
Klimaschutztanks befinden sich prinzipiell 
              in der gleichen Situation wie jene in der Matrix: es gibt die 
Alternativen 
              gute Erfahrungen in einer virtuellen Realität oder miserable 
              
Erfahrungen in der echten Realität (Tag für Tag bei Bewusstsein 
              in einem Tank schwimmen, mit ein 
paar Schläuchen, die am Leben 
              erhalten). Einziger Unterschied: von einer Aussenperspektive werden 
 
             die Menschen nicht von anderen eigennützigen Intelligenzen 
              ausgebeutet, sondern sie 
machen selbst den Versuch, ihr schwieriges 
              Leben so schön wie möglich zu gestalten. 
      
      Das Gedankenexperiment zeigt uns, dass einige Zweifel an Nozicks 
              Thesen entstehen 
können. Nozick müsste wohl darauf bestehen, 
              dass es für die Menschen besser sei, bei vollem 
Bewusstsein 
              in den Tanks zu schwimmen, weil sie dann wirklich tun, wirklich 
              sind und den 
möglicherweise tieferen Kontakt mit der echten 
              Realität pflegen. Vielleicht ist die Bewertung des 
Im-Tank-Schwimmens 
              ja nur eine Frage der Gewohnheit, doch möchte ich die intuitive 
              
Behauptung wagen, dass sich sehr viele (die meisten) Menschen im 
              skizzierten Falle für die virtuelle 
Realität entscheiden 
              würden.[9] (Der Autor entwickelt den Gedanken sogar noch weiter: 
        
      Wenn einige Leute, wie Morpheus, die Tanks verlassen hätten 
              und feststellten, dass man unter 
sehr grossen Schwierigkeiten in 
              der klimatisch extremen echten Umwelt überleben kann, sollten 
     
         sie dann auch alle anderen Menschen 'aufwecken’ ? )
            Vasilious 
Gedankenexperiment verschiebt den Fokus, der Ansatz ist 
              jetzt nicht mehr, dass Erfahrungen der 
'echten’ Realität 
              an sich besser sind als Erfahrungen virtueller Realität, sondern: 
   
           V2) Das Verweilen in der Matrix ist deswegen ethisch schlecht, weil 
              wir damit von anderen 
instrumentalisiert werden. 
            Cypher?
            Mir scheinen 
weder die Instrumentalisierungs-These noch Nozicks 
              Gründe restlos plausibel, denn ebenso wie ein Wert 
der echten 
              Realität an sich scheint mir auch die intrinsische Verwerflichkeit 
              der 
Instrumentalisierung intuitiv nicht überzeugend zu sein. 
              Wenn Morgen nach dem Mittagessen jemand zu 
mir käme um mir 
              glaubhaft zu versichern, dass die Welt, wie ich sie bisher erfahren 
              
habe eine Täuschung der Natur sei und er mich davon befreien 
              könnte (leider verliere ich dabei 
all meine Freunde, meinen 
              eigenen Körper usw., da sie Teil der Täuschung sind), 
              
dann wäre ich ethisch nicht bewegt das zu tun. Selbst, wenn 
              er mir unwiderlegbar aufweist, dass ein 
vegetarischer Gott mich 
              die ganze Zeit täuscht, weil dadurch seine Salatgurken schneller 
          
    wachsen, würde ich es nicht für ethisch vorzüglich 
              halten ihm zu folgen.
         
   Folgendes Gespräch könnte zwischen Cypher und den Philosophen 
              
stattfinden:
            Cypher: „Mir reichts, ich mag keinen Haferschleim, ich 
     
         lass mich jetzt Reintegrieren und esse ein Steak.“
			Nozick: 
„Wenn du dich renintegrieren lässt, dann 
              brichst du den Kontakt mit der echten Realität 
ab.“
			Vasiliou: „Wenn du dich reintegrieren lässt, dann 
              wirst du vorsätzlich ausgenutzt.“
			Cypher: 
„Das ist mir egal, nach dem Plug-in weiss ich 
              es sowieso nicht mehr.“
		
	Nozick & Vasiliou: „Aber du weisst es jetzt und deshalb 
              ist es 
jetzt ethisch schlecht von dir so zu handeln.“
			Cypher: 
„ Der Verzicht auf echte Realität oder die 
              Instrumentalisierung sind nach euren Definitionen 
ethisch schlecht, 
              aber es sind keine gute Gründe so zu handeln, zumindest nicht 
              
für alle Menschen bei allen Gelegenheiten, zum Beispiel nicht 
              für mich, wenn ich jetzt ein gutes 
Steak essen möchte.“
			
            PS: und die Maschinen 
?
            Eine Perspektive haben wir bisher gänzlich ignoriert, die 
              
der Maschinen. Diese sind ja im Film auch intelligente Wesen, und 
              verdienen es eigentlich als Moralsubjekte 
anerkannt zu werden. Eine 
              so plausible wie erstaunliche Auffassung von der Maschinenperspektive 
        
      präsentiert Colin McGinn [10]: während des Krieges zwischen 
              Menschen und Maschinen (es ist 
nicht bekannt, wer eigentlich begonnen 
              hat) versuchten die Menschen, durch die Verdunkelung des Himmels 
              den Gegner verhungern zu lassen – ein geplanter Genozid an 
              den intelligenten 
Maschinenwesen. Dass die Menschen nun in Tanks 
              schwimmen und als Biobatterien verwendet werden ist ein Akt 
der 
              Selbstverteidigung. Die notwendige Energiegewinnung wird für 
              die Menschen so 
schmerzlos wie möglich durchgeführt und 
              es wird keiner getötet. Ja, es wurde den Menschen in 
der ersten 
              Matrix sogar das reinste Paradies angeboten (was diese ablehnten) 
              und nun 
machen sie ihr Leben lang so schöne Erfahrungen, wie 
              wir sie auch täglich machen und alles 
für ein bisschen 
              Bioenergie, die sie sowieso nicht gebrauchen können. Im Vergleich 
           
   zum menschlichen Umgang mit ihren eigenen 'Energiequellen’, 
              den Kühen, Schweinen und 
Hühnern etc. (die ja als Moralsubjekte 
              nicht so ganz auszuschliessen sind) scheinen die Maschinen 
regelrechte 
              Wohltäter zu sein. Agent Smith geht in seinem legendären 
              Monolog 
vor Morpheus (im ersten Film) sogar noch weiter: die Menschen 
              hätten ihre Zeit gehabt und sich, gleich 
Viren, überall 
              auf der Welt ausgebreitet und Zerstörung hinterlassen. Aber 
              die 
Geschichte ist vorangeschritten und hat die Maschinen an die 
              Macht gebracht, die Menschen sind nicht 
länger die Unterdrücker 
              des Planeten und die Welt ist dadurch eine bessere.
            
            Anmerkungen
            [2] 
Richard Hanley „Never the Twain shall meet: Reflections 
              on the first Matrix“
            
[3] Ich verwende den Begriff 'Ethik’/ 'ethisch’ so, 
              als ob damit 
das, was gut ist, für einen Einzelnen gemeint 
              ist (z.B. das, was er für sein gutes Leben 
hält). Im Gegensatz 
              dazu meine ich mit 'Moral’ / 'moralisch’ das, „was 
        
      wir wechselseitig voneinander fordern“ (Tugendhat), also das 
              was gut ist in Bezug auf andere. 
            [4] Robert Nozick "Anarchy, State and Utopia", 1974, 
              
Basic Books; Kapitel "The experience machine" S.42
            [5] Ebd.
     
       [6] Christopher Grau "The Value of Reality: Cypher & the 
              
Experience Machine"
            [7] Peter Unger “Identity, Consciousness and 
Value” 
              1990, Oxford
            [8] Iakovor Vasiuou “Reality, 
What matters, and the Matrix”, 
              eine ähnliche Auffassung wird auch von James Pryor in 
“What’s 
              so bad about living in the Matrix” vertreten.
            [9] Nozick macht ja auch die unbewiesene empirische Behauptung, 
              dass sich die meisten 
nicht für die Alternative der von ihm 
              beschriebenen experience machine entscheiden 
würden.
            [10] Colin McGinn „The Matrix of Dreams“